Auszug aus dem Text Lokalkolorit (1)(2)von Dr. Jeannette Stoschek (2013)
(…) Inga Kerber setzt sich in ihren Arbeiten mit dem Reproduktionspotenzial der Fotografie auseinander. Fragen nach Original, Kopie, Unikat und Authentizität sind für ihre Arbeiten grundlegend. Wie eine akribisch arbeitende Forscherin untersucht sie die Bildmöglichkeiten der Fotografie. Für ihre Werke ist ihr großes, über die Jahre gewachsenes Bildarchiv bestimmend. Sie sammelt eigene Abzüge, die sie etwa nach den Sujets Blumenstrauß (Blumenstillleben), Landschaft oder Männer ordnet. Es sind unspektakuläre, alltägliche, nach klassischem Verständnis nicht schöne Bilder. Wenn Kerber sich für ein Bild entschieden hat, scannt sie die Fotografien. Die Scans wiederum lässt sie in verschiedenen Druckereien auf unterschiedlichen Papieren oder zu anderen Zeiten am selben Ort ausdrucken. Jeder Ausdruck hat eine eigene, differente Anmutung und Haptik und ist ein Unikat. Die Künstlerin konterkariert die Reproduktionsfähigkeit der Fotografie. Darüber hinaus bearbeitet sie die Fotografien nie nach und widersetzt sich bewusst der möglichen Perfektion des fotografischen Abbildes. Dem Motiv wird in der Größe und durch die Reihung der neben- und übereinander gehängten Werke eine neue Autonomie und eigene Bildsprache verliehen. Systematisch legt Kerber ihre Bildtitel an. Der Technik – Pigmentdruck – folgen die Größenangabe und in Klammern wird das Sujet genannt beispielsweise (Cliché of a Flower Bouquet) II. Kerber setzt das französische Wort cliché ein, das u.a. synonym für Fotografie und das fotografische Negativ verwendet wird. Gleichzeitig verweist sie auf den deutschen Begriff des Klischees, der für Abklatsch, Vorurteil und Druckstock stehen kann. Somit wird schon im Bildtitel das Kopieren und Abdrucken eines Bildes sowie die Infragestellung des originalen Bildbegriffs und die Vorstellung von einem Bild und die Erwartung an ein Bild thematisiert. (…)
1 Der vorliegende Text ist ein Auszug aus dem Text von Dr. Jeannette Stoschek ( Leiterin Graphische Sammlung, Stellvertretende Direktorin, Museum der bildenden Künste Leipzig ) der anlässlich der Ausstellung und Publikation „Lokalkolorit“ von 4 Leipziger Künstlern – Inga Kerber, Corinne von Lebusa, Edgar Leciejewski, Jochen Plogsties, Johannes Rochhausen, in der Kerry Inman Gallery Houston, Texas, 2013 entstanden ist.
2 Lokalkolorit, das: besondere Atmosphäre einer Stadt oder Landschaft; [in einem Kunstwerk, einer Schilderung oder Ähnlichem eingefangene] örtliche Färbung: der Roman spiegelt gut das Lokalkolorit der Gegend wider.
Duden. Deutsches Universalwörterbuch, 6. überarbeitete und erweiterte Auflage, Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich 2006, S. 1089.